
He! Es ist mal wieder so weit. In ganz Frankreich wird wieder gestreikt. Betroffen ist Großteil der öffentlichen Betriebe (Busse, Bahnen, Energie, Opern etc.) und die Unis werden bestreikt. Der Grund ist folgender: Die Ein-Mann-Regierung-Sarkozy plant eine Rentenreform bei der die Privilegien in bestimmten Sektoren abgebaut werden. Dadurch soll länger gearbeitet werden (40 statt bisher 35 Jahre Arbeitszeit - ein Eisenbahner der SNCF kann derzeit ca. ab 50 in die Frührente gehen). Die Gewerkschaften fordern jedoch 37,5 Jahre Arbeitszeit für alle. In Frankreich herrscht große Arbeitslosigkeit und sie befürchten Stellenstreichungen (bzw. keine Neueinstellungen), sollte jeder länger arbeiten.
Die Studenten wehren sich gegen ein Gesetz, das bereits seit mehreren Monaten inkraft ist. Es soll den Unis mehr Autonomie verschaffen, indem Teile an Unternehmen veräußert werden. Die Unternehmen bekommen dann sehr viel Mitspracherecht in der Hochschulpolitik zugesprochen. Viele fürchten eine zunehmende Privatisierung, Elitisierung und möglicherweise Abschaffung von "unrentablen" Studiengängen (Philosophie etc.). Um ihrem Unmut darüber Ausdruck zu verleihen, besetzten einige Studenten in den letzten Tagen ihre Fakultäten. Manchmal hören sie von selber wieder auf, manchmal werden sie von der CRS (Spezialpolizei) herausgeprügelt.
Gestern war ich mal im Centre Tolbiac welches immer mal wieder für kurze Zeit besetzt wurde. Seit der Besetzung (an der auch einige Nichtstudenten teilgenommen haben) sind die Zustände ziemlich krass. Vor der Uni noch mehr Security als normal, drin liegen kaputte Türen rum und Grafitti im Hörsaal. Eigentlich ist es in der Uni verboten zu rauchen - aber man raucht, trinkt und kifft im Hörsaal. Das find ich ganz schön sinnlos. Muss doch nicht sein, dieses Anti-alles und wir-müssen-auf-Teufel-komm-raus-jedes-Verbot-brechen -Menatiltät. Dadurch wird doch jeder begründete Protest ins Lächerliche gezogen.

Während der Vollversammlung hat jeder der wollte 2 Minuten Redezeit bekommen, danach wurde ihm das Mikro entzogen. Die Studenten stellten sich als wenig demokratisch heraus. Die Mehrheit war für die Blockade und gegen das Gesetz. Andere Meinungen wurden mit Buhrufen und Pfeifkonzert übertönt. Die Uni hat deshalb eine umstrittene Online-Umfrage gestartet wo jeder anonym abstimmen kann. Damit gewinnt die Mehrheit (von denjenigen mit Internetzugang) und nicht der wer am lautesten brüllt. Mal sehn was dabei herauskommt.
Zurück zu den anderen Streikenden: Die Gewerkschaften der öffentlichen Betriebe haben heute zum unbefristeten Streik aufgerufen. Es fuhr außerhalb der Stoßzeiten fast gar nichts. Ich hab mehr als 50 Minuten auf einen Zug gewartet - normalerweise wartet man selbst Abends selten länger als 5 Minuten. Es kam zum Verkehrschaos und die Uni fiel größtenteils aus.

Nachmittags gab es dann in Montparnasse eine große Demonstration, zu der sich auch die Studenten angeschlossen haben.



Komische Selbstdarsteller:


Ab nächste Woche wollen übrigens noch mehr Leute dem Streik beitreten. Auch heute war schon mehrfach das Zauberwort Generalstreik zu hören. Die große Revolution (siehe unten) bleibt jedoch unwahrscheinlich, da die Mehrheit der Franzosen die Reformen (momentan) unterstützt. So genau weiß man das jedoch nie, das die französische Medienlandschaft sehr stark von konservativen Kräften dominiert wird und Umfragen mit Vorsicht zu genießen sind.